Tagebuch, 09.04.2017

Sonntag ist justbaseball Tag. Nach einem ausführlichem Frühstück (Bratkartoffeln, Baked Beans, Champignons und eine halbe Avocado) stand die Aufnahme an. Die erste Woche Baseball ist rum, ich habe leider noch nicht viel gesehen. Zu allem Überfluss zickt die MLB Android App rum, ich kann nicht ordentlich den Audio Stream hören. Keine Ahnung, woran das liegen mag, die App habe ich auch schon neu installiert. Nebenbei Gucken bzw. Nachts hören ist im Moment nicht möglich. Nervig.

Die Besten und ich sind dann noch ausführlich spazieren gegangen, wir waren bei der lieben Tanja, ihr Aufnahmegerät ausleihen. Auf dem Rückweg sind wir dann gleich was Essen gegangen. Wir waren im Balutschistan auf der Fuhle, alle vegetarischen Speisen kann man auch vegan bestellen. Das war saulecker, da werden wir öfter hin, weil sie auf die Herkunft der Zutaten auch beim Fleisch achten. Und das ist etwas, was wir beibehalten wollen: Darauf achten, was wir Essen.

Den Abend dann noch mit TV verbracht und mich wie oben beschrieben darüber geärgert, dass ich kein Baseball gucken konnte…

Vor drei Jahren stand mein erster Besuch im AT&T Park an. Ein Tag, den ich niemals in meinem Leben vergessen werde.

In diesem Sinne

Tag 3, a dream comes true

Es ist ja so: Man sucht sich den Verein nicht aus, sondern er findet dich. Die Giants und ich, das ist eine Beziehung, die ich mir tatsächlich ausgesucht habe. 1993 wechselte Barry Bonds von den Pirates zu den Giants. Schon damals dachte ich, daß er ein Großer werden wird. Und dann wechselt er zu dieser großen, historischen Franchise. Mir war das damals nicht bewußt, ich bin einfach mit ihm nach San Francisco gewechselt… wie so ein Erfolgsfan, wobei weder die Pirates noch die Giants so richtig Erfolg hatten. Der Spieler allerdings brach Rekorde um Rekorde. Damals in den 90ern spielten die Giants noch im Candlestick Park, teilten sich das Stadion mit den 49ers. 2000 sind die Giants in den neuen Ballpark umgezogen. Ich hatte seit dem einen Punkt auf meiner bucket list: Ein Homegame der Giants live erleben.

Diesen Punkt kann ich jetzt von der Liste abhaken.

Aber fangen wir von vorne an. Das Spiel war um 13:35 Uhr angesetzt. Ich hatte die Busverbindung rausgesucht, die mich direkt zum Stadion bringt. Der Puffer um zur Haltestelle zu kommen war 10 Minuten, obwohl der Weg gerade mal 2 Minuten braucht. Die 2 Dollar für das Ticket habe ich mir bei Billy geliehen, weil es keine Möglichkeit gibt im Bus zu wechseln und ich als kleinsten Schein einen 20 Dollar schein hatte. Billy will das Geld übrigens immer noch nicht annehmen, welches ich ihm schulde. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Bus kommt dann also nach 2 Zigaretten und biegt erst links und dann rechts ab. Ich wäre ja nicht ich, wenn nicht irgendwas vergessen wird. Ratet mal was es war…



Genau. Meine Karte für das Spiel. Doh! Ich habe einen nedfuller gemacht, so wie sich das für einen Nedfuller gehört. Also raus aus dem Bus, zu Fuß zurück in die Wohnung und das Ticket einstecken. Alles im Grunde kein Problem, da ich 3 Stunden vor dem first pitch losgegangen bin. Das Problem war nur, daß der nächste bekannte Bus erst in 40 Minuten angekündigt war. Also wartete ich auf die Alternative, die direkt vor der Haustür laut App los fahren sollte. Der Bus kam auch gleich und ich stieg ein.
Als der Bus aber die völlig falsche Richtung einschlug, fragte ich den Fahrer, wohin er denn fährt. Er sagte Outbound. Ich wollte aber Inbound fahren… Never catch the wrong bus!
Also bin ich dann irgendwo im nirgendwo aus dem Bus raus und trabte zurück zu der Haltestelle an der ich mir sicher war, daß ein Bus in die richtige Richtung fährt. Mindestens 1 Stunde habe ich so verloren. Es fühlte sich sogar mittendrin so an, als wenn mich irgendwas vom Ballpark fern halten wollte. Aber ich habe dem einfach entgegen gewirkt, so ein Nedfuller kostest nicht immer so viel Geld.

Nach vielen Wirrungen und Irrungen bin ich dann endlich am AT&T Park angekommen. Diesmal nicht mit der Absicht den Fanshop leer zu kaufen, sondern live dabei zu sein, wenn meine Giants ihr erstes Heimspiel austragen.

Ich kann mich leider nicht mehr an meinen ersten Besuch im Volksparkstadion erinnern, dafür bin ich wohl zu alt. Aber es muß ein damals ein tolles Gefühl gewesen sein, wenn man den Eingang hinter sich gelassen hat und das erste Mal auf das Spielfeld guckt. Ich bin jetzt 39 Jahre alt, aber das, was ich an diesem Tag gefühlt habe, läßt sich einfach nicht beschreiben. Der Ballpark von innen, das erste Heimspiel, einfach da zu sein. Ich kann es nicht erklären.

Ich hatte dann auch gleich einen HotDog ($8.75) und ein Bier ($10.75). Ich meine, ich bin da, habe Hunger und Durst, da kann man sich nicht über die Preise aufregen. Es ist eben doch etwas sehr anders als im Volkspark. Niemand klagt über die Preise, im Gegenteil, die Schlangen vor den Buden waren unendlich lang.

Aber wie man mich so kennt bin ich nach der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme auf meinen Platz gegangen.

Es war ja nunmal das erste Heimspiel in der Saison 2014 der Giants, also wurde um die Lineup sehr sehr sehr viel Wind gemacht. Wenn die Amis eins können, dann sich selber feiern. Es gab natürlich Pyrotechnik, als jeder Trainer, Ballboy und natürlich die Spieler vorgestellt worden sind. Links neben mir saß ein junges Paar, sie hatte ein Schild zum Spiel gemalt (keine Ahnung, was da drauf stand) und als bestimmte Spieler genannte wurden, ist vor allem sie komplett ausgeflippt. Bei Brandon Crawford war sie nicht zu halten. OK, ich auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte ;-) Es fühlte sich aber so ehrlich an, so (Oh Gott, klingt das jetzt kitschig) „from the bottom of the heart“. Wenn ich ehrlich bin, ich habe viel über die Giants Fans gelesen, wie verbunden sie mit dem Team und auch mit der Stadt sind. Ich kann sie endlich verstehen. Das Team war schon lange mein Team, aber jetzt dort zu sitzen und dabei zu sein. Einfach wahnsinn!

Wie es sich dann gehört, haben die Giants ein gutes Spiel in der Offensive abgeliefert. Tim Hudson war solide und ist nun 2-0. Wer hätte das vor der Saison gedacht?

Ich habe meinen Platz nur zwei Mal verlassen: Um Bier los zu werden und um neues Bier zu kaufen. Es ist schon sehr witzig, daß ich nach meiner ID gefragt werde. Ich, der dieses Jahr 40 wird. Die Amis sind manchmal total bekloppt. Aber liebenswert.

Das Spiel war zu Ende, ich war sehr sehr zufrieden mit dem Tag. Ich sollte aber nicht ahnen, was dann noch passiert.

Es war nämlich so: Ich stand an der Bushaltestelle und wartete auf die 10 Outbound. Da kam ein wildfremder Typ auf mich zu und fragte, ob ich wisse wo hier ein Liqour Store zu finden sei, er brauche dringend Zigaretten. Ich erklärte ihm, daß ich nicht von hier bin, bot ihm als Entschädigung aber eine Zigarette an. Wie üblich in den USA wurde gleich ein wenig Small Talk gehalten, als ich auf die Frage wo ich her komme mit Germany antwortete, war Charly (so sein Name) total begeistert, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß jemand aus Deutschland nach San Francisco fliegt um ein Baseball Spiel sehen zu können.

Jeff (ein Arbeitskollege von Charly) googelte dann ein Liqour Store und die beiden luden mich ein, mitzukommen und ein Bier mit ihnen zu trinken. Ich sagte zu und so standen wir in einer Seitenstraße mit einer braunen Papiertüte um unsere Bierflaschen. Wir redeten viel, lachten, freuten uns über den Sieg. Charly hatte mittlerweile seine Zigaretten gekauft. Ein paar Meter weiter war eine Bar aus der jetzt Wes kam und Charly nach einer Zigarette fragte. Wir mussten erstmal laut lachen, weil Charly und ich uns ja so kennen gelernt haben. So standen wir also dort mittlerweile zu viert, tranken Tequilla aus einer Flasche und lachten, redeten, feierten den Sieg zusammen. Jeff & Charly mussten dann los, sie wurden von einer Limo abgeholt. Der Besuch im AT&T Park war eine Firmenveranstaltung und die sollte jetzt weiter gehen. Den Rest des Sixpacks schenkten sie mir noch und nun stand ich mit Wes alleine draußen. Er fragte mich, ob ich nicht mit rein kommen wolle und eine Kleinigkeit essen will. Ich sagte, daß ich nicht stören wollte, aber er sagte im typischen amerikanischen Tonfall „Ah, com‘ on!“

Also saß ich dann mit Wes, seiner Frau Erika, Sabrina (seine Cousine) und Lyndsay (eine Freundin) am Tisch und erzählte meine „I’m the german guy“ Geschichte. Da ich mein Ticket bei stubhub gekauft habe, hatte ich kein Original Opening Day, first ever Giants game Ticket. Am Tisch hatten auch alle kein Ticket, also sprach Lyndsay den Nachbartisch an und es muß meine heart warming german baseball fan Geschichte gewesen sein (ich denke es war eher der Chamre von Lyndsay), ich bekam ein Ticket geschenkt. Wow! Ich war so happy.

Zwei Tequillas und drei später mußten dann alle nach Hause, es war ja mitten in der Woche und nur ich hatte Urlaub. Man trennte sich mit dem versprechen, sich noch mal im Ballpark zu treffen.

Bei Charly war es auch so, er wollte unbedingt dringend meine Nummer haben, damit wir uns verabreden können, sollte ich mal Richtung San Jose fahren. (Was ich am Montag tun werde und natürlich Charly treffen werde).

Auf dem Weg nach Hause habe ich dann noch Lyft ausprobiert, daß ist eine App in der Mann private Personen für eine „Taxi“fahrt eine Anfrage schicken kann und die holen einen dann ab. Eine richtig gute Sache. Einfach, schnell, umkompliziert.

Was für ein unvergesslicher, toller Tag. Ich habe sympathische Menschen kennen lernen dürfen, war das erste Mal im Ballpark der Giants, habe einen Sieg gesehen. Ich scheine auch ein recht umgänglicher Kerl zu sein, passe hier sehr gut rein.

Das war alles klasse und der Alkohol half auch beim sofortigen Einschlafen. Dummerweise aber nicht beim Durchschlafen. Ich habe dann auch richtigen Mist geträumt, so ein Traum, der einen nach dem wach werden mit einem schwerem Gefühl in der Brust aufwachen läßt. Trotz der Tabletten kommt die Waschmaschine im Kopf einfach nicht zum stehen, gerade wenn ich alleine bin. Ich lag 2 Stunden wach, versuchte mich mit Podcast hören abzulenken. Es klappte nicht. Meine Therapeutin hat mir für diesen Fall Bromazepan verschrieben. Nach dem vielen Alkohol wollte ich aber keine Beruhigungstablette nehmen, zumal die wohl auch so stark sind, daß sie leicht abhängig machen. Also quälte ich mich weiter und bin dann irgendwann eingeschlafen.

Bis auf die Nacht war es einer der schönsten Tage meines Lebens. Ich muß sagen, daß ich mich lange nicht mehr so gut gefühlt habe. Wenn jetzt noch die Waschmaschine im Kopf aufhört zu rotieren, dann würde es mir viel besser gehen. Aber das wird wohl leider noch dauern…

Bilder

Es war unfassbar. Ich kann es nicht erklären, nicht beschreiben.
Die Giants Fans gehen natürlich auch ins Stadion um unterhalten zu werden. Aber mit jeder(m), mit dem ich gesprochen habe ist aus dem Herzen heraus ein Fan. Das ist, was zählt.

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